„Canitrail“: Teamwork und Trail-Abenteuer in der Natur
Wer die endlose Freiheit beim „Canitrail“ gekostet hat, den wird dieses Abenteuer nicht mehr so schnell loslassen. Es geht um Teamwork, gemeinsames Sein, das überwinden der eigenen Grenzen. Wie Goethe so schön sagte: „Nur wo du zu Fuß warst, bist du wirklich gewesen“. Und das lange vor unserer Zeit, in der Autos und Ebikes uns jegliche echte Anstrengung abnehmen können. Katharina verbringt einen großen Teil ihrer Freizeit auf dem Trail – mit ihren beiden Hunden Johnny und Henry. Ihre Liebe zu diesem Sport und ihr Wissen gibt sie auch im Rahmen von Trainings weiter und gibt uns heute einen kleinen Einblick für alle Interessierten.
Kannst du uns kurz erklären, was Canitrail genau ist? Was macht für dich die Faszination daran aus?
„Canitrail“ ist ein relativ neuer Begriff, der sich aus Canicross (Geländelauf mit Hund auf Zug) und Trailrunning (Laufen im Gelände) zusammensetzt. Man versteht darunter das gemeinsame Laufen mit Hund in der Natur, fernab von Asphaltstraßen und Schotterautobahnen.
Beim Canitrail werden meist längere Distanzen als beim Canicross gelaufen. Technische Trails, Wald- und Wiesenwege, steiniges Gelände, wenn möglich auch mit ein paar Höhenmetern eignen sich dafür hervorragend und bringen den größten Spaß für das Team. Die Geschwindigkeit ist dabei Nebensache, das gemeinsame Erlebnis steht im Vordergrund. Mensch und Hund sind während des Laufens nicht nur mental, sondern auch – wie beim Canicross – mit einer elastischen Zugleine verbunden. Somit kann man sich beim Laufen vom Hund unterstützen lassen, der vorneweg auf Zug läuft.
„Ich liebe einfach das gemeinsame Abenteuer mit meinen Hunden in der Natur. Der maximale Spaß über die Trails zu flowen bietet sich dann, wenn man als Team gut funktioniert. Die Freiheit, die Freude an der Bewegung, ganz im Hier und Jetzt zu sein, und natürlich die wunderbare Natur – das fasziniert mich am Canitrail. „
Mit was für Hunden machst du das, und welche eignen sich generell dafür?
Ich laufe mit meinen beiden Hunden Johnny und Henry.
Johnny ist ein bulgarischer Straßenmischling (6 J.) und geht mit mir super gerne in die Berge. Unwegsames Gelände, Kraxelpassagen, am liebsten im Freilauf – das ist sein Ding. Viel „Support“ kann ich mir von ihm nicht erhoffen, da das Laufen im Zug ihn eher langweilt. Ich sage liebevoll: Er ist als „Deko“ dabei und mit für die gute Laune und den Trailcheck zuständig. 😉
Henry ist mein Buddy für die längeren Distanzen. Er ist ein Alaskan Husky (2 J.), ein echter Langstreckenjunkie und ist einfach für alles was er gemeinsam mit mir unternehmen darf zu begeistern. Immer witzig, gute Laune und den Willen zu laufen, komme was wolle.
Zunächst mal eignet sich jeder gesunde, ausgewachsene Hund, mit ihm Canitrail zu laufen. Vom Chihuahua über den Pudel, den Australian Shepherd bis zum zotteligen Mischlingshund… Die Frage ist natürlich immer, was möchte ich mit meinem Hund machen und welche (Leistungs-)Ansprüche habe ich. Welche Distanzen möchte ich laufen? Will ich an Laufveranstaltungen teilnehmen und dabei auf einem Treppchen stehen oder geht es mir hauptsächlich um das gemeinsame Erleben mit meinem Hund in der Natur?
Daher eignen sich manche Hunde besser, andere weniger gut für das gemeinsame Laufen. Grundsätzlich würde ich aber sagen ist es wichtig, dass der Hund Freude an Bewegung und gemeinsamen Unternehmungen hat und frei atmen kann (extrem kurzschnäuzig gezüchteten Hunderassen, wie z.B. die Französische Bulldogge, usw. sind eher weniger dafür geeignet). Alles Weitere ist eine Frage des Anspruchs und vor allem auch der eigenen Leistungsfähigkeit.
Wenn jemand seinen Hund auf einen, sagen wir, 50km langen Lauf mitnehmen möchte – wie müsste er insbesondere den Hund darauf vorbereiten?
Diese Frage ist nicht so pauschal zu beantworten, da ich persönlich niemandem raten würde einen Hund einfach mal so auf einen 50 km langen Lauf mitzunehmen. Auch unsere Hunde müssen wir entsprechend trainieren und darauf vorbereiten solche Distanzen gesund laufen zu können. Das geht – wie auch bei uns Menschen – nicht über Nacht.
Deshalb sollte ich zunächst einmal mich selbst fragen, ob ich überhaupt in der Lage bin diese Strecke laufen zu können. Leider sieht es in der Praxis teilweise nicht so aus und die Menschen überschätzen sich maßlos. Oft auch zum Leidwesen des Hundes. Ich als Mensch mit entsprechendem Bewusstsein für meinen Körper kann den Lauf abbrechen, wenn ich mich der Distanz nicht gewachsen oder ich mich nicht fit fühle oder Schmerzen habe. Mein Hund hat diese Wahl nicht. Vor allem wenn ich einen sehr lauffreudigen, triebigen Hund habe, wird dieser auch noch laufen, wenn ihm der Kopf unterm Bein hängt… Leider alles schon gesehen auf diversen Laufevents. Daher ist es mir immer wichtig, sich selbst und die physischen und auch mentalen Fähigkeiten des Hundes realistisch einzuschätzen. Nur so kann man als Team Spaß haben – bitte immer unter Berücksichtigung der Gesundheit! Bitte kein falscher Ehrgeiz! Das aber nur mal als Appell vorneweg. 😉
Zum Glück gibt es ja auch gut ausgebildete Lauf- und Hundetrainer, die einem dabei behilflich sein können, eine realistische Einschätzung zu treffen und bei dem entsprechenden Vorhaben mit guten Tipps und Trainingsplänen unterstützen zu können.
Gehen wir also davon aus, ich selbst bin in der Lage 50 km zu laufen oder zu wandern… Dann geht es darum den aktuellen Leistungsstand des Hundes bestimmen. Ist mein Hund gesund, lauffreudig und ausdauernd und in der Lage auch mental diese Herausforderung zu meistern? Dieser Aspekt darf nicht unterschätzt werden. Bei einer Distanz von 50 km ist man gemeinsam mehrere Stunden auf den Beinen und die Konzentration, die das gemeinsame Laufen gerade auch auf sehr technischen Strecken erfordert, ist nicht zu unterschätzen. Habe ich meinen Hund durch entsprechendes Training gut darauf vorbereitet? Dann steht dem gemeinsamen Trailabenteuer nichts im Weg.
Welche Ausrüstung hast du immer dabei?
Die Basis-Ausstattung für einen Canitraillauf besteht aus einem passenden Zuggeschirr für den Hund, einer flexible Zugleine, einem Laufgürtel für den Menschen, an das Wetter angepasster Sportkleidung sowie gut passender (Trailrunning-) Laufschuhe.
Bei einem Lauf bis zu einer Stunde nehme ich meist nur mein Handy – für Notfälle und ggf. zur Navigation – mit. Für längere Läufe habe ich meinen Trailrunningrucksack dabei. Dieser beinhaltet Wasser und ggf. kleine Snacks für mich und den Hund, ein Erste-Hilfe-Set mit Rettungsdecke, Booties, ein bisschen Geld und ggf. eine leichte Windjacke.
Wie bereitest du dich auf einen langen Lauf vor? Wie navigierst du? Hast du Karten mit oder spezielle Apps?
Ich überlege mir zunächst wo ich in etwa laufen möchte. Ich habe das große Glück vor der Haustür wunderbare Trails laufen zu können. Und auch die Fränkische sowie die Hersbrucker Schweiz und das Altmühltal sind von mir aus leicht zu erreichen. Ich plane seit ich denken kann meine Läufe vorab mit Hilfe von Komoot. Bei höheren Temperaturen plane ich die Routen so, dass wir an Seen oder Flüssen vorbei kommen, damit ich nicht so viel Wasser für die Hunde mitnehmen brauche und wir uns zwischendurch auch mal abkühlen können.
Ca. 1-2 Stunden bevor ich los starte werden die Hunde gewässert. Ich packe meinen Trailrunningrucksack (siehe vorherige Frage zum Inhalt), schlüpfe in meine Laufschuhe und nach einem lockeren Warm-Up für mich und die Hunde geht‘s auch schon los! 😃
Welche Trainingseinheiten dürfen im Canitrail-Training mit und ohne Hund nicht fehlen?
Unser Training ist recht umfangreich, aber auch sehr spielerisch und abwechslungsreich. Ich glaube das ist auch mit der Grund, weshalb ich bei dieser Sportart „hängen“ geblieben bin. Langweilig wird uns auf jeden Fall nicht und das Training fühlt sich auch meist nicht nach Training an. 😉
Noch kurz vorneweg: Je nach Distanz nehmen die längeren Läufe natürlich einiges an Zeit und Planung in Anspruch und auch die Hunde müssen teilweise separat trainiert werden. Ich lege aber großen Wert auf einen sinnvollen Trainingsaufbau, da ich den Sport gerne lange, schmerz- und verletzungsfrei ausüben möchte und ich mir das für meine Hunde auch wünsche. Außerdem liebe ich es einfach mich in der Natur zu bewegen – am liebsten gemeinsam als Team.
Die Basis des Trainings für mich und die Hunde besteht also aus Grundlagenausdauertraining, Krafttraining, Koordination und Kommandotraining. Die Grundlage trainieren wir durch längere Läufe oder auch am Fahrrad – die Hunde dabei im Freilauf bzw. an lockerer Leine. Für die Kraft habe ich vor allem das Funktionelle Training für mich entdeckt. Ich bin auch großer Fan vom „Jonglieren“ mit meinen Kettlebells oder dem Training mit den TRX-Bändern. Das perfekte Krafttraining für meine Hunde ist das wandern auf Zug. Zudem steht für die Hunde – und mich – viel Klettern und Balancieren auf dem Plan um die Trittfestigkeit und Koordination zu schulen und um die stabilisierende Muskulatur zu trainieren. Ergänzt werden diese Basiselemente durch entsprechendes Intervall-/ Bergtraining und Mobility/ Yoga.
Ebenso wichtig ist natürlich das Kommandotraining der Hunde. Grundkommandos wie Stop, Warten und die Richtungskommandos müssen sitzen. Da es gerade im alpinen Terrain auf technisch anspruchsvollen Trails meist viel bergauf und entsprechend auch wieder bergab geht, ist es wichtig dass der Hund die Kommandos, wie beispielsweise hinter einem zu laufen, zuverlässig umsetzt.
Außerdem muss ich mich auf meinen Hund verlassen können, dass ich ihn bei einer etwas kniffligeren Passage absitzen lassen kann um selbst erst mal die Lage zu checken. Hier und da begegnet man auch umher springenden Rehen, Hasen oder Murmeltieren… Daher ist es für mich auch unumgänglich die Impulskontrolle/ Selbstregulation bis zum abwinken zu trainieren. Je nach Hundetyp fällt das natürlich leichter oder eben auch schwerer. Die Erarbeitung der Kommandos, die man in jeden Spaziergang oder auch Zuhause spielerisch einbauen kann, zahlt sich auf dem Trail dann entsprechend aus.
Wenn ich nicht wegen jedem Kommando mit meinem Hund diskutieren muss, weil man sich irgendwann auch einfach ohne Worte versteht, steigt der Spaßfaktor am gemeinsamen Trailabenteuer enorm und auch die Sicherheit für unser Team wird dadurch gewährleistet.
Welchen Stellenwert haben Rennen im Canitrail für dich?
Ich liebe es neue Gegenden und Menschen kennenzulernen und genieße es mich auch mal nicht um Streckenführungen, Verpflegung, usw. kümmern zu müssen, daher nehme ich je nach Lust und Laune an Laufveranstaltungen teil. Dabei steht für mich immer das gemeinsame Abenteuer im Vordergrund, eine Platzierung ist absolute Nebensache. Mein Motto: Ich will eine gute Zeit haben, die Pace ist dabei ganz egal. 😉 Im Mai steht als Nächstes der Mountainman in Nesselwang auf unserem Programm und im Juni starten wir beim Koasamarsch in Ebbs. Die Vorfreude ist groß und die gesetzten Termine motivieren mich zusätzlich mit dem Training am Ball zu bleiben. Denn die ganze Gaudi macht natürlich umso mehr Spaß, wenn man die Trails mit voller Energie durchlaufen kann, ich meinen Hund gut unterstützen kann, der Körper diese Belastung kennt und wir am nächsten Tag nicht den Muskelkater des Todes erleben müssen. 😀
Am liebsten sind mir allerdings die kleineren, familiäreren Trailveranstaltungen, die eigentlich keine „Hundelaufevents“ sind und bei denen das Mitführen von Hunden aber geduldet wird. Die Atmosphäre ist bei diesen kleinen Läufen meist sehr entspannt, die Community sehr aufgeschlossen und rücksichtsvoll, das Preis-/ Leistungsverhältnis besser und die Verpflegungsstationen… ein Traum.
Wollt ihr mehr über das Thema wissen? Ihr könnt eure Fragen gerne auf Facebook stellen, in der „Trailsports Community“ Gruppe, oder ihr wendet euch direkt an Katha:
MEET: Katharina Reichert von „Rudeltime“
Ich wohne in der wunderschönen Oberpfalz in der Nähe von Neumarkt und Hunde, Sport und Bewegung in der Natur gehören zu meinem Leben seit ich denken kann. Seit 2016 betreibe ich Zughundesport. Seitdem ist einiges passiert. Ich habe meine Hundetrainerausbildung nach §11 des Tierschutzgesetzes sowie meine Zughundetrainerausbildung absolviert und diverse Fortbildungen als Lauftrainerin und Naturcoach erfolgreich abgeschlossen. Ich habe 2018 „Rudeltime“ gegründet und biete nun hauptsächlich Lauftraining für Menschen mit Hund an. Neben regelmäßigen gemeinsamen Lauftreffs organisiere ich Wanderungen mit Hund rund um Neumarkt und im Nürnberger Land. Zudem gibt es weitere Angebote, wie zum Beispiel Krafttraining, Mobility und Yoga für Läufer oder auch spielerisches Hundephysiotraining als Ergänzung zum Zugtraining.